Warum der Maulwurf unter der Erde lebt

* Eine Cherokee Geschichte erzählt von James Mooney *

Ein Mann war in eine Frau verliebt, die ihn jedoch nicht mochte und nichts mit ihm zu tun haben wollte.

Vergeblich versuchte er auf alle mögliche Weise, ihre Gunst zu gewinnen.

Schliesslich verliess ihn der Mut und der Gedanke an seine unglückliche Liebe machte ihn krank.

Da kam der Maulwurf des Weges und als er den Mann in so gedrückter Stimmung fand, fragte er nach dem Grund für seinen Kummer.

Der Mann erzählte ihm die ganze Geschichte.

Da sprach der Maulwurf: “ Ich kann Dir helfen.

Sie wird Dich nicht nur gern haben, sondern aus freien Stücken zu Dir kommen.

In der Nacht grub sich der Maulwurf unter der Erde zu der Stelle durch, wo das Mädchen schlief

und nahm ihr Herz heraus.

Dann kehrte er auf dem gleichen Weg zurück und gab das Herz dem enttäuschten Liebhaber,

der es nicht sehen konnte, selbst als er es in der Hand hielt.

“ Nun verschlinge es,” sprach der Maulwurf. “ Und sie wird sich so zu Dir hingezogen fühlen, das sie zu Dir kommen muss.”

Der Mann verschlang das Herz und als das Mädchen erwachte, dachte sie sogleich an ihn.

Sie verspürte ein seltsames Verlangen, bei ihm zu sein und in diesem Augenblick zu ihm zu gehen.

Sie konnte es nicht verstehen, weil sie ihn doch nie gemocht hatte.

Aber das Gefühl wurde so stark, das sie nicht widerstehen konnte, ihn zu suchen und ihm zu sagen,

das sie ihn liebe und seine Frau sein wolle.

Und so heirateten die beiden. Alle Zauberer, die sie kannten, waren überrascht und wunderten sich,

wie das geschehen konnte.

Als sie herausfanden, das es das Werk des Maulwurfs war, den sie stets für zu unbedeutend gehalten hatten,

um ihn überhaupt zu beachten, waren sie sehr eifersüchtig und drohten ihn zu töten .

Darum verbarg sich der Maulwurf unter der Erde und wagt sich bis heute nicht hervor.

Die Regenbogenschlange

*Eine Legende aus Nordamerika*

Die Regenbogenschlangen sind riesige Reptilien.

Die für ihre Schöpfungstaten und Regenmacherei in vielen Gegenden der Welt bekannt sind.

Vor allem in Nordamerika, Australien und Westafrika.

In Afrika war die Regenbogenschlange das erste, was das höchste Wesen “ Mawu “ erschaffen hatte.

Und als “ Mawu “ damit fertig war, wand sie sich selbst zu einem grossen Kreis, legte sich unter das Meer

und trug das Gewicht der Erde.

Ihre Windungen sind manchmal im Kräuseln des Wassers zu sehen, aus dem sie ab und zu aufsteigt

um sich selbst wie ein Bogen über den Himmel zu spannen.

Die Indianer Nordamerikas sehen die Regenbogenschlange häufig.

In diesem Teil der Erde spielt sie eine gewisse Rolle bei der Erschaffung des Menschen und anderer Tiere

und hat danach die Aufgabe übernommen für Regen zu sorgen.

Manchmal schläft sie zu lange zwischen den Regenzeiten.

Dann bricht die Erde während der langen Trockenzeit auf.

Erscheint die Schlange nicht am Himmel, so heisst das, dass sie noch schläft.

Dann muss sie mit besonders lärmigen Tänzen aufgeweckt werden.

In Australien sind die Regenbogenschlangenlegenden sehr verbreitet.

Und zwar in allen Regionen des Kontinents.

Sie heisst dort Karia, Muit, Wulungu und Yulunggu.

In den Tagen der Schöpfung war es ihre Aufgabe, Bäche, Flüsse, Seen und Wasserlöcher auszuhöhlen.

Die Flüsse fliessen deshalb in Windungen, weil sie den gewundenen Spuren der Schlangen folgen.

Und die Wasserlöcher sind rund, weil sie die Form einer zum Schlafen zusammengerollten Schlange haben.

In der Regenzeit tauchen die Regenbogenschlangen aus ihren Wasserlöchern auf

und kommen ihrer Aufgabe nach, lebenspendendes Wasser auf das Land fallen zu lassen.

Die leuchtenden Regenbögen zeigen an, dass die Schlangen von einem Wasserloch oder Wasserlauf

zum Nächsten wandern, um sich zu vergewissern, das sie für die nächste Trockenzeit wohl gefüllt sind.

Die ersten Europäer

* Eine Überlieferung erzählt 1855  von einem  Chippewa *

Lange Zeit, bevor diese Geschichte begann,

 lebte mein Volk auf einer schmalen Halbinsel in Lake Superior.

Sie heisst Landzunge des alten Dorfes.

Eines Nachts hatte einer meiner Grossväter, ein Prophet des Stammes, einen Traum,

der eine merkwürdige Wirkung auf ihn ausübte.

Tagelang erging er sich in Bussübungen.

Er fastete, nahm täglich Schwitzbäder und schloss sich in seiner Prophetenhütte ein.

Seine Bussübungen waren so gründlich und ungewöhnlich, dass die Leute in Dorf neugierig wurden.

Was mochte ihnen bevorstehen?

Kam es zu einer Hungersnot oder einer ungewöhnlich erfolgreichen Jagdsaison?

Drohte ein schwerer Krieg mit den Sioux oder ein ähnlich bedeutsames Ereignis?

Als der Prophet alles sorgfältig bedacht und die Geschichte seines Traumes im Geist klar geordnet hatte,

rief er die anderen Propheten und Häuptlinge seines Volkes zusammen.

Er hatte erstaunliche Neuigkeiten für sie.

“Menschen von seltsamen Aussehen sind über das grosse Wasser gekommen” erzählte er.

“Sie sind auf unserer Insel gelandet. Ihre Haut ist weiss wie Schnee und in ihrem Gesicht wächst langes Haar.”

“Die Leute sind übers grosse Wasser in wunderbar grossen Kanus gekommen, mit grossen weissen Flügeln,

wie bei einem Riesenvogel.”

“ Die Männer haben lange scharfe Messer und lange schwarze Rohre, die sie auf Vögel und Tiere richten.”

“ Die Rohre machen Rauch, der genauso wie der Rauch aus unseren Pfeifen in die Luft steigt.”

“Auch kommt Feuer heraus und so furchtbarer Lärm, dass ich sogar in meinem Traum zu Tode erschrocken bin,”

Der Prophet benötigte einen halben Tag, um seinen Traum zu erzählen.

Er beschrieb die Segel und Masten der Schiffe, die eisernen Harnische, die Gewehre und die Kanonen.

Die anderen Propheten und Häuptlinge hörten mit Begeisterung zu.

Als er geendet hatte, waren sie einhellig der Meinung, sie sollten eine Flotte mit mehreren Kanus ausrüsten

und sie auf den grossen Seen und dem grossen Fluss nach Osten schicken.

Denn beim grossen Wasser sollten die Boten alles über diese seltsamen Fremden erkunden .

und zu Hause dem Stamm darüber Berichterstatten.

Somit wurden Kanus für die lange Reise ausgerüstet und erprobte Männer ausgewählt.

Viele Sonnen und mehrere Monde reisten sie über das Gewässer der Seen und den grossen Fluss hinab

durch die Länder befreundeter Stämme.

Diese Leute wussten noch nichts von den weissen Fremden,

denn sie besassen keinen so begabten Träumer und Propheten.

Schliesslich gelangten die Reisenden von der Landzunge des alten Dorfes zum Unterlauf des grossen Flusses.

Eines Abends stiessen sie auf eine Lichtung im Wald, wo selbst die grössten Bäume spiegelglatt

abgeschnitten worden waren.

Die Indianer schlugen dort ihr Lager auf und untersuchten die Stümpfe genau.

Riesenbiber mit gewaltigen Zähnen mussten sich an diesen Bäumen zu schaffen gemacht haben.

Doch der Prophet entgegnete:

“ Nein, diese Bäume sind sicher von den langen Messern, die ich in meinem Traum sah, abgeschnitten worden.

Die weissen Fremden müssen hier gelagert haben.”

Da wurden seine Gefährten von Ehrfurcht, aber auch mit Schrecken erfüllt.

Mit ihren Steinlanzen konnten sie so grosse Bäume nicht fällen oder irgend etwas so glatt durchschneiden.

Dann stiessen sie auf lange, eingerollte Holzstreifen, die ihnen ein Rätsel waren und auch einige Stücke bunten Tuchs.

Die Kringel steckten sie sich ins Haar und in die Ohren, die Tücher banden sie sich um den Kopf.

So geschmückt wanderten sie weiter.

Bald erreichten sie das Lager der Fremden.

Die Männer hatten weisse Gesichter und buschige Bärte, genau wie der Prophet gesagt hatte.

Sie hatten lange Messer, donnernde Feuerrohre und riesige Kanus mit weissen Flügeln, 

genau wie der Prophet es gesagt hatte.

Heute wissen wir dass diese ersten Weissen Franzosen waren.

Als die Reisenden ihren Besuch beendet hatten machten sie die lange Reise zurück zu ihren Wohnungen

am Lake Superior und berichteten dort, was sie gesehen hatten.

Sie waren sehr erregt, und ihre Geschichte erregte das ganze Dorf.

Alle drängten sich heran, um die Dinge zu sehen, die die Männer mitgebracht hatten.

Die Holzkringel, die mit scharfen Werkzeugen abgeschnittenen Holzstücke, die buntgefärbten Tücher.

Die Tücher wurden in kleine Stücke gerissen, auf dass jeder eines erhalte.

Um Eindruck auf andere Häuptlinge und Stämme zu  machen, pflegten die Chippewas einen Brauch

Früher hatten sie die Skalps ihrer Feinde an lange Stangen gebunden und sie von einem Stamm zum anderen geschickt.

Jetzt befestigten sie Hobelspäne und Tuchstreifen an den Stangen und gaben sie den Boten mit auf den Weg.

So wurden diese seltsamen Gegenstände um den ganzen See von Hand zu Hand weitergereicht.

Und so machte das Volk am Lake Superior seine erste Bekanntschaft mit den weissen Männern

aus Europa.